Über sechs Monate Interkommunale Psychosoziale Unterstützung (IPSU)

Schleidens Bürgermeister, Ingo Pfennings (links), und Malteser Fluthilfe-Projektleiter NRW, Axel Rottländer (rechts), arbeiten im Rahmen des interkommunalen psychosozialen Unterstützungsangebots eng zusammen (Foto: Michaela Boland/Malteser)

Gemünd. Malteser setzen Angebot von drei Kommunen für Flutbetroffene in der Eifel um.

Seit Januar 2023 existiert IPSU, die Interkommunale Psychosoziale Unterstützung der Kommunen Schleiden, Hellenthal und Kall. Angelegt als weiteres Modul des HIZ (Hilfszentrum Schleidener Tal in Schleiden-Gemünd) dient IPSU dazu, Betroffenen der Jahrhundertflut des 14. Julis 2021 kostenlos bei der psychischen Bewältigung der durch das Hochwasser entstandenen oder mit ihm sprichwörtlich wieder hochgespülten, älteren, seelischen Problematiken zu helfen. Prinzip: Ein niederschwelliges Angebot, bei welchem Nutzerinnen und Nutzer keine langen Wartezeiten, wie in der psychologischen Regelversorgung ansonsten üblich, haben, sondern binnen kürzester Zeit Termine erhalten. Ein Expertenteam der Malteser, das aus Fachpersonen, wie Psychiaterin, Diplom-Psychologen und Therapeuten besteht, kümmert sich an der Kölner Straße 10 um die Betroffenen, um diese zu entlasten und zu stabilisieren. 

Resümee nach einem halben Jahr

Ein erstes Resümee nach einem halben Jahr IPSU zogen jetzt Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings sowie der Projektleiter Fluthilfe NRW des Malteser Hilfsdienst e.V., Axel Rottländer. Auf die Frage, welche konkreten Erfahrungen innerhalb der vergangenen sechs Monate mit der IPSU gemacht wurden, antwortet Ingo Pfennings: „Es war richtig, den Weg so konsequent fortzusetzen und in eine Hauptamtlichkeit zu überführen.“ Erstens dürfe das ehrenamtliche Netzwerk nicht über alle Maße hinaus belastet werden und zweitens würde man merken, dass der Bedarf an psychologischer Unterstützung noch lange nicht vorbei sei. „IPSU ist eine Fortsetzung dessen, was es zuvor schon gegeben hat: Eine professionelle Betreuung der durch die Hochwasserkatastrophe Betroffenen in allen psychologischen Stadien, die es gibt“, erläutert das Schleidener Verwaltungsoberhaupt. „Wir gehen davon aus, dass wir die zwei Jahre, die wir jetzt als Förderzeitraum haben, auch definitiv brauchen werden“, fügt er hinzu. Neuerdings meldeten sich auch verstärkt immer wieder Jugendliche, die zuvor kaum über Belastungen gesprochen hätten. 

Breites Unterstützungsangebot

Die IPSU, welche vom Land NRW gefördert wird, beschäftigt in ihrem Expertenteam hierfür eigens einen Diplom-Psychologen, der auf Jugendliche und Kinder spezialisiert und erfahren ist, um dem jüngsten Bedarf gerecht zu werden. Das breite Angebotsspektrum von IPSU reicht vom Clearing (Dringlichkeitsprüfung der Anfrage), medizinisch-psychologischer sowie sozialer Beratung über Seelsorge, stabilisierende Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting, Traumatherapie und kunsttherapeutischen Angeboten bis hin zu tiergestützter Therapie, Verhaltenstherapie und Stressbewältigung. Warum es folgerichtig ist, das Angebot gemeinschaftlich mit Hellenthal und Kall als interkommunales Projekt anzubieten, begründet Pfennings so:“ Die Menschen hier in der Region haben nicht nur alle dasselbe erlebt, sondern sich in der Flutnacht sowie in den Tagen danach auch alle gegenseitig geholfen. Man hört ja auch nicht an der Stadtgrenze damit auf, Menschen zu kennen.“ So seien sicher auch Helferinnen und Helfer sowie Einsatzkräfte aus Kall in Hellenthal gewesen sowie Hellenthaler in Schleiden, um zu helfen. In einem jeden haben sich die Eindrücke eingebrannt, egal ob aktiv oder passiv vom Hochwasser betroffen. Daher sei es auch wichtig, all diesen Menschen Hilfe anbieten zu können.

Gute Auslastung

Die Auslastung der IPSU sei schon jetzt gut, berichtet Malteser Fluthilfe-Projektleiter NRW Axel Rottländer. „Wir haben allerdings immer noch Kapazitäten frei und können weitere Personen behandeln.“ Man habe sich im Rahmen unterschiedlichster Maßnahmen stark dafür engagiert, das IPSU-Angebot in der Region bekannt zu machen, doch auch die Mund- zu-Mund-Propaganda wirke sich recht positiv auf den Zustrom aus. Neben der zeitigen Terminvergabe sei ein weiterer Vorteil von IPSU, dass die Anfahrtszeiten zum zentral gelegenen Standort innerhalb der Region wesentlich kürzer seien, als dies der Fall wäre, wenn man erst in größere Städte zur Therapiestunde fahren müsse. Fühlen sich Menschen, die auf Behandlungen innerhalb der Regelversorgung angewiesen sind, demgegenüber nicht benachteiligt? „Nein“, ist sich Ingo Pfennings aus einem bestimmten Grund sicher. „Tatsächlich haben wir ja sogar die Devise, dass wir niemanden ablehnen, der hier aus der Region kommt und sagt, dass er jetzt Probleme hat.“. Klar sei allerdings, dass die IPSU keine erforderliche Langzeit-Traumtherapie für jemanden ersetzen könne, der jetzt bereits Teil der Regelbetreuung sei. Was aber in jedem Fall funktioniere, wäre, dass man darüber spreche, was ein Bedarf für die Person sein und wie die Lösung für jenen Bedarf aussehen könne, erläutert der Bürgermeister. Auch würde zwischenzeitlich versucht, Termin-Slots an Menschen aus allen Kommunen des Kreises Euskirchen sowie jener an Schleiden, Hellenthal und Kall angrenzenden Gemeinden, wie beispielsweise Simmerath oder Heimbach, zu vergeben. 

Weitere Ausrichtung

Die IPSU, welche bis zum 31.12.2024 terminiert ist, wird auch in Zukunft vor allem darauf ausgerichtet sein, Bürgerinnen und Bürgern sowie Einsatzkräften, die durch eine Katastrophenlangzeitfolge in irgendeiner Weise belastet sind, bereits im Vorfeld einer möglichen posttraumatischen Belastungsstörung oder ähnlichem entgegenzuwirken, damit es erst gar nicht zu einer derartigen Erkrankung kommt. Axel Rottländer zeigt sich froh darüber, bei einem Projekt wie IPSU mit den drei Betreiberkommunen zusammenarbeiten zu dürfen. „Wir erleben, dass in allen drei Kommunen Betroffene sind, die uns kontaktieren. In einem regelmäßig tagenden Gremium, das aus den drei Bürgermeistern sowie Personal der IPSU besteht, finde auch eine regelmäßige Abstimmung über den Verlauf und die weitere Vorgehensweise der IPSU statt. Über die stetige Rückmeldung, nach wie vor auf dem richtigen Weg zu sein, freue man sich sehr. Insbesondere insoweit, als die Fälle jetzt etwas intensiver würden als dies in der Anfangszeit, kurz nach der Flutkatastrophe, der Fall gewesen sei. Genau aus diesem Grund benötigten Betroffene auch mehr Stunden, um stabilisiert werden zu können. Vom kostenfreien Angebot, das streng vertraulich und für welches keine Abgabe der Versichertenkarte erforderlich ist, sollten Menschen, die nach den Erlebnissen rund um die Flut das Gefühl haben, mit jemandem sprechen zu wollen, der ihnen bei seelischen Belastungen Entlastung bieten kann, sich unbedingt melden.

Infos unter:
Mail: ipsu@malteser.org
Tel.: 02444 9129746
Hotline: 06723 685767